Henry Wanyoike

 

Es gibt Begegnungen in jedem Leben, die einen nachhaltig bewegen und nicht mehr loslassen. Für Die Laufpartner war dieser Moment gekommen, als unser jahrelanger Wegbegleiter Oliver Kusch bat, dass wir einem talentierten, erblindeten Läufer helfen mögen.

Die erste Zusammenkunft, ohne zu wissen was auf uns zukommt, war dann schon beeindruckend. Ein kleiner kenianischer Läufer namens Herny Wanyoike stand uns gegenüber und zog alle in seinen Bann. Dabei beeindruckte seine außergewöhnliche Ausstrahlung, denn in seiner Gegenwart spürt man die Kraft sowie den Mut, mit der er nach seiner Erblindung ins Leben zurückgefunden hat.

Im Alter von 21 Jahren, morgens von seiner Mutter geweckt, ereilte ihn das Schicksal der Erblindung. Zunächst verstand er nicht, worum es ging, weil für ihn noch tiefste Nacht war, doch diese Dunkelheit blieb. Nach Zweifeln an ‘Gott und der Welt‘, schöpfte er wieder neuen Mut in einem von der ‘Christoffel Blindenmission‘ organisierten Rehabilitationszentrum und fand nach viel Fürsprache auch zu seinen sportlichen Wurzeln zurück. 

Fortan begleiteten viele helfende Personen Henry Wanyoike und auch wir hatten unsere Teilhabe an seiner sportlichen Entwicklung. Große Bekanntheit erlangte er mit seiner ersten Teilnahme an den ‘Olympischen Spielen‘ für Menschen mit einem Handicap, den Paralympics 2000 in Sidney. Als Außenseiter lief er mit seinem Begleitläufer, seinem Guide, über 5.000m ein phänomenales Tempo und allen davon. Doch sein Guide hatte aus Angst nicht aus- bzw. mitreisen zu dürfen, nicht bekanntgegeben, dass er an Malaria erkrankt war. So schwächelte er zum Ende des Wettkampfes und der blinde Henry zog seinen sehenden Guide zwei Runden lang über die Bahn, bis dieser nach der Ziellinie zusammenbrach. Henry gewann somit in einem spektakulärem Rennen sein erstes Gold und weitere folgten sowie acht Weltrekorde.

Wenn Henry an dieser oder einer anderen Lebensgeschichte teilhaben lässt, euphorisiert er jeden mit Charme und einer sehr persönlichen Art, das Leben anzunehmen. Diese Eigenschaften beschrieb einst sehr eindrucksvoll der leider verstorbene Autor Bengt Pflughaupt in dem Buch ‘Mein langer Lauf ins Licht‘, wofür er den ‘Laureus Medien Award 2009‘ erhielt, die höchste Auszeichnung im internationalen Sport. 

In jenem Jahr konnten wir auch den ‘Run of Spirit‘ ins Laufen bringen und kurze Zeit später den integrativen Gedanken, gemeinsam Sport zu treiben, auch im polnischen Posen mit dem ‘Bieg Na Tak‘ gesellschaftlich verankern. Ebenso den ‘Run of Hope‘ in der Heimat von Henry begleiten, wo mittlerweile rund 15.000 Läuferinnen und Läufer teilnehmen. 

In der ganzen Zeit seiner erfolgreichen sportlichen Weiterentwicklung gab es auch immer wieder Rückschläge. So erlitt Henry bei einem schweren Autounfall in Kenia, bei dem eine mitfahrende Person verstarb, eine Handverletzung. Diese musste operiert werden, entzündete sich und wurde weitere Male bei Spezialisten in Helsinki operiert, wodurch monatelang das Training ausfiel. Doch er kam immer wieder zurück, gab anderen Kraft, Hoffnung und ermutigt sie, an sich selbst zu glauben, auch wenn man sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befindet.

Henry hat nie aufgegeben und hat alle seine Schicksalsschläge nicht nur überstanden, sondern ist an ihnen gewachsen. Als einer von drei Hauptdarstellern wurde dies 2013 in dem deutschen Dokumentarfilm ‘Gold – Du kannst mehr als Du denkst‘ auf der ‘Berlinale‘ vorgestellt und dann weltweit in den Kinos gezeigt.

Nimmer müde, ist er nun auch sportlich wieder zurück. Haben einst unser Lennart Sponar und Niels Michalk (geb. Bubel) geholfen, die vorgegebenen Normen zu erfüllen, so ist Henry mit seinem neuen Guide Paul Kihumba Wanyoike 2019 beim ‘Pisa Maratona‘ mit unserer Unterstützung 2:39:55 Std. gelaufen und hat damit die Norm erfüllt für seine fünften Paralympics 2020 in Tokio. Durch Corona wurden auch die Paralympics auf das Jahr 2021 verschoben, wo im Frühjahr eine weitere Normerfüllung beim ‘Geneva Marathon‘ mit 2:46:39 Std. erfolgte.

Doch nach Tokio wurde er vom kenianischen Verband nicht entsandt, die Gründe erschließen sich uns nicht ganz, jedoch dürfte es damit zusammenhängen, dass der Weltverband IPC mehrere Sehbehinderungsklassen zusammengelegt hat. So sind fortan schwach sehende und blinde an einer Startlinie stehend. Wo es sicherlich Vorteile für einige gibt, sowohl im Training als auch im Wettkampf, aber vor allem in den Leistungen, sodass Henry zur Zeit keine Medaillenchance mehr besitzt.

Doch er läuft weiter und in all dieser Zeit hat Henry nicht vergessen, wer ihm alles geholfen hat. Er gibt mit seiner erlangten Bekanntheit, als Botschafter für die ‘Christoffel Blindenmission‘, ‘Seeing is Believing‘ und ‘Licht für die Welt‘ viel Engagement zurück. Er hat dabei aber auch seine eigenen Projekte mit der ‘Henry Wanyoike Foundation‘, die wir seit Jahren begleiten, wie das Charity-Projekt ‘Theresia House of Hope‘, welches wir mit unseren Läufen unterstützen möchten.